Es war das Damoklesschwert über dem Streit um die Kastanienallee. Jetzt aber rechnet der zuständige Stadtrat nicht mehr mit einem Bürgerbegehren gegen die Umbaupläne.
Für Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) scheint die Schlacht geschlagen: „Es ist jetzt vorbei.“ Die BVV hatte am vergangenen Mittwoch in Sachen Kastanienallee einstimmig entschieden, den Anträgen für eine Bürgerbefragung nicht zu folgen. Als letzter Ausweg bleibt den Gegnern des Straßenumbaus nun noch eine Unterschriftensammlung mit dem Ziel Bürgerbegehren. Doch der zuständige Stadtrat rechnet nach eigener Aussage nicht mehr damit, dass es überhaupt zu einem Bürgerbegehren kommen wird.
Kirchner verweist auf einen Streit zwischen dem Bezirksamt und den Initiatoren des Begehrens über die amtliche Kostenschätzung, die auf den entsprechenden Unterschriftslisten abgedruckt werden muss. Das Bezirksamt erwähnt in seinem Text nicht nur mögliche Folgen für die öffentliche Hand, sondern erläutert auch eventuelle Kosten, die bei späteren Sanierungen der vieldeutig interpretierten Straße auf Anlieger zukommen könnten. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Gehwege der Allee selbst den Umbaugegnern als ramponiert erscheinen, entsprechende Ausbesserungen aber nur bis 2012, der Aufhebung des Sanierungsgebiets Teutoburger Platz, speziell gefördert werden.
Initiatoren des Begehrens treffen sich beim Anwalt
Eine solche Kostenschätzung gehört zum bürokratischen Prozedere eines jeden Bürgerbegehrens. Für Matthias Aberle, Mitglied in der Bürgerinitiative Wasserturm und in der Initiative „Stoppt K21″, ist sie aber schlicht zu lang („Da passen ja nachher kaum noch Unterschriften drauf“) und „unsexy“. Außerdem stört er sich daran, dass Kirchner die möglichen Folgen für die Anlieger in der Zukunft erwähnt. Gemäß dem Straßenausbaubeitragsgesetz belaufe sich die „Höhe der Beitragspflicht“ bei einer Hauptverkehrsstraße wie der Kastanienallee auf „durchschnittlich ca. 45 Prozent der umlagefähigen Baukosten“, heißt es in der Fassung des Bezirksamts. Dieser Text habe dort nichts zu suchen, beklagt Aberle.
Nach Angaben Aberles treffen sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens am Dienstag bei einem Anwalt für Verwaltungsrecht. Aberle zieht nicht nur die amtliche Kostenschätzung in Zweifel, er ist auch der Meinung, dem Bezirk seien bei der Vergabe der Bauarbeiten Verfahrensfehler unterlaufen. Das lasse man jetzt rechtlich prüfen. Ob die Initiative vor Gericht auf einen Baustopp klagen will, sei allerdings noch nicht entschieden.
Kirchners Gegner wollen an allen Fronten kämpfen
Kirchners Gegner machen klar: Nach der Pleite in der BVV am vergangenen Mittwoch wollen sie jetzt an allen Fronten kämpfen, ob auf der Straße („es wird Proteste geben, aber das soll eine Überraschung werden“), per Unterschriftenliste oder vor dem Verwaltungsgericht. Aberle gibt sich siegesgewiss, dass der Umbau doch noch zu verhindern ist. Warum er das so sieht? „Weil ich weiß, wie Herr Kirchner arbeitet. Es ist so etwas von fehlerhaft, auch wie er mit dem Bürgerbegehren umgeht.“
Kirchner hingegen wirkt am Telefon durchaus beflügelt vom einstimmigen Votum der BVV in der vergangenen Woche. „Es wird immer wie ein Mantra vor sich her getragen, dass die Initiatoren des Bürgerbegehrens die Mehrheit von Anwohnern und Gewerbetreibenden vertreten. Ich habe da meine Zweifel“, sagt er. „Man muss ernsthaft überlegen, wer hier überhaupt wen vertritt.“
Wer steht hinter dem Bürgerbegehren?
Aberle wiederum betont, hinter seiner Initiative stünden mindestens 50 Gewerbetreibende in der Kastanienallee. Zumindest auf einen, der bisher in der Öffentlichkeit ein wahrnehmbares Gesicht für den Widerstand gegen den Straßenumbau war, wird er aber verzichten müssen. „Ich stehe nicht mehr hinter dem Bürgerbegehren“, sagt Ladenbesitzer Sebastian Mücke. Er bemängelt, dass jeder der Beteiligten eine „Second Agenda“ verfolge, ob es die Parteien seien, oder manche Bürgerbewegte, die ganz grundsätzlich hinter jedem Bezirksamtsvertreter nur das Böse witterten. Mücke jedenfalls richtet im Moment seinen Blick nach Hamburg. Auf der Langen Reihe wird er einen Laden mit dem Namen „Heimat Berlin“ eröffnen. Von Straßenumbauplänen dort ist nichts bekannt.