Nach der Tagung des Stadtentwicklungsausschusses zum Thema Belforter Straße sind die Fronten verhärtet. Während die FDP vor möglichen Entschädigungskosten warnt, sieht die SPD einer Klage des Investors gelassen entgegen.
Die Wohnanlage Belforter Straße ist stadthistorisch bedeutend und schützenswert. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Bezirk Pankow in Auftrag gegebenes Gutachten. Dieses weist die Bauten als „eine der wenigen vollständig erhaltenen Wohnbauprojekte der Entwicklungsphase zwischen 1950 und 1960 und einzige Wohnanlage in Zeilenbauweise im Ortsteil Prenzlauer Berg“ aus. Bei der Tagung des Stadtentwicklungsausschuss am gestrigen Donnerstag ging es zwar vordergründig nur um Kosten und Umstände, unter denen das Gutachten zustande kam. In der Sache aber sind die Fronten verhärteter denn je. FDP-Auschussmitglied Thomas Brandt bezweifelt etwa, ob die Bauten überhaupt erhaltenswert sind. „In den 50er Jahren wurde im Osten Berlins vielerorts so gebaut“, sagt Brandt. „Diese Bauten sehen alle gleich aus. Müssen denn unbedingt im wenig flächenintensiven Prenzlauer Berg auch drei Zeilen davon stehen?“
Der Spatz kann auch mal umziehen
Neben der städtebaulichen Bedeutung werfen die Autorinnen des Gutachtens auch Umweltargumente in die Waagschale. Die unversiegelte Grünfläche sei für das Stadtklima ebenso wichtig wie die 50 Jahre alten Baumbestände, die diversen Vogelarten eine Heimstatt bieten. FDP-Mann Brandt ist nicht überzeugt. „Ich halte das für relativ unsinnig. Laut Bebauungsplan wollte der Investor zwei Tiefgaragen einbauen. Darüber liegt Erde oder Rasen, auf dem man Bäume pflanzen kann. Der gemeine Berliner Spatz kann auch mal ein Jahr ausziehen und wieder einziehen, wenn der neuen Baum da steht.“ Noch weniger Verständnis bringt Brand den im Gutachten erwähnten Klima-Argumenten entgegen. „Diese Frischluftschneise, die da irgendwie quer von Friedrichshain zum Humboldthain rüberzieht, halte ich für Unsinn.“ Dennoch zweifelt Brandt nicht daran, dass der Bezirk aufgrund des Gutachtens, eine Erhaltungssatzung für das Ensemble erlässt und sämtliche baulichen Veränderungen genehmigungspflichtig macht. „So wie die anderen Parteienvertreter sich gestern darstellt haben, wird es eine Erhaltungsverordnung in dieser Form geben“, sagt Brandt und warnt vor den Folgen: „Der Investor Rainer Bahr wird seine Anwälte beauftragen, wenn ihm die wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks nicht mehr gegeben ist. Er kann ein Übernahmeverlangen stellen, das wird die Stadt dann ablehnen. Falls er dagegen mit Erfolg klagt, muss die Stadt das Grundstück zurücknehmen und Entschädigung zahlen.“
Bauwerke, die eine Entwicklung einleiteten
Ausschussvorsitzenden Roland Schröder (SPD) sieht der möglichen Klage „entspannt“ entgegen. „Dem Investor ist nie etwas versprochen worden. Er hat ein Grundstück gekauft, das mit sanierten Gebäuden versehen ist. Er wird dafür einen Preis bezahlt haben, der dieser Bebauung entspricht. Wenn er freiwillig mehr gezahlt hat, ohne für irgendetwas ein Baurecht zu besitzen, ist das sein persönlicher Fehler.“ Schröder geht davon aus, dass Rainer Bahr die Anlage so wie sie ist wirtschaftlich betreiben kann. „In sofern wäre ihm die Versagung eines Neubaus auch wirtschaftlich zuzumuten. Woraus soll dann der Schaden entstehen? Er müsste ja beweisen, dass er jetzt verarmt.“Schröders Fazit: „Herr Bahr ist von falschen wirtschaftlichen Voraussetzung für sich ausgegangen. Aber das kann er nicht im nachhinein nicht dem Bezirk andrehen.“ Mit dem Gutachten ist Schröder sehr zufrieden. „Ich war erstaunt, das so viel gefunden wurde, was über unsere eigenen Gedanken hinausgeht.“ Es handele sich bei dem Ensemble an der Belforter Straße um ganz frühe Bauwerke dieser Art, die eine Entwicklung eingeleitet hätten. Der zuständige Stadtrat Michail Nelken (Linke) war bis Redaktionsschluss 15.15 Uhr für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.