Wer über 80 ist und einen runden Geburtstag feiert, bekommt Besuch von der Sozialkommission. Ehrenamtliche Mitarbeiter sorgen dafür, dass der Prenzlauer Berg seine alten Menschen nicht vergisst.
Die alten Menschen von Prenzlauer Berg haben keine Namen. Zumindest nicht, wenn sie damit in der Zeitung stehen sollen. „Ich lege keinen Wert auf Öffentlichkeit, ich mache diesen Job aus anderen Gründen“, meint Frau Müller, die natürlich nicht so heißt. Seit mehreren Jahren arbeitet die Rentnerin für die Pankower Sozialkommission und besucht alte Menschen zu ihren Geburtstagen. Mit ihrem Rollator überquert sie gerade vorsichtig die Gubitzstraße. Frau Meier, deren richtiger Namen ebenfalls geheim bleiben soll, wird bald 80. „Da frage ich nun nach, was sie sich zum Geburtstag wünscht.“
Eine Aufmerksamkeit im Wert von fünf Euro und ein kurzer Besuch, das ist es, was die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Sozialkommission den alten Menschen in Pankow bieten können. Sie kommen zum 80. und zum 85. Geburtstag, und ab dem 90. sogar jedes Jahr. Auch bei Goldenen und Diamantenen Hochzeiten sind sie dabei; bei letzteren werden sie dann vom Bürgermeister begleitet. „Wenn er denn Zeit hat“, meint Frau Müller.
Sozialkommission? Unter alten Menschen kennt sie jeder
Im Hochparterre des 30er-Jahre-Baus öffnet ein alter Mann im Hausanzug die Wohnungstür. „Die Sozialkommission“, ruft er in die Wohnung. Hier im Norden des Prenzlauer Bergs, wo sich die Alten in die Neubauten aus der Post-Gründerzeit zurückgezogen haben, reicht das völlig aus, und man weiß, worum es geht.
Er bittet herein, Frau Meier empfängt heute im Flur. „Ich muss gleich zum Arzt“, meint sie, und zieht den Gürtel ihres bunt gemusterten Bademantels noch etwas fester. „Was ich mir wünsche? Ach, ein paar Blümchen für mein Beet.“ Dann tauscht sie noch rasch ein paar Neuigkeiten aus mit Frau Müller – Kinder kommen zu Besuch, Nachbarn fahren zur Kur, bei einer Bekannten wurde Krebs diagnostiziert – und schon steht man wieder auf der Straße.
Es bleibt keine Zeit, sich näher umzusehen in der Wohnung, in der Frau Meier, mit kurzer Unterbrechung, schon seit 1939 wohnt. In der die Decken niedrig, der Teppich abgeschabt und die Schrankwände überladen sind mit Nippes und Porzellan. „Am Geburtstag komme ich dann wieder vorbei und bringe das Geschenk“, meint Frau Müller. „Das war es dann schon.“
Zwanzig dieser Sozialkommissionen gibt es in ganz Pankow; sie haben den Bezirk unter sich aufgeteilt. Ein polizeiliches Führungszeugnis muss jeder vorlegen, der mitmachen möchte. Auch eine Verschwiegenheitserklärung wird unterschrieben. Man weiß schließlich nie, in welchen Wohnungen man letztendlich landet. Denn darum geht es, auch, bei den Besuchen: Den Kontakt halten zu den Alten des Bezirks. Sicherstellen, dass sie nicht vereinsamen. Nicht verwahrlosen. Nicht verlorengehen zwischen den Belangen der Jungen, der Kinder, deren Grundschulplätze und Spielmöglichkeiten die Diskussionen im Viertel längst dominieren.
Blumen, Kaffee oder Rotwein für die Damen, Rasierwasser für die Herren
Doch es gibt sie hier, die alten Menschen, die ihr ganzes oder zumindest einen Großteil ihres Lebens in Prenzlauer Berg verbracht haben und sich nun vom Bezirksamt Fünf-Euro-Geschenke machen lassen: Blumen, Kaffee oder Rotwein für die Damen, Rasierwasser für die Herren, das seien die gängigsten Wünsche, meint Frau Müller.
Bis zu fünfzehn Mal pro Monat ist sie im Auftrag der Sozialkommission unterwegs. Vom Bezirksamt erfährt sie, wer Geburtstag oder ein Hochzeits-Jubiläum hat, und versucht dann, den Kontakt herzustellen. Doch nicht jeder habe Interesse: „Etwa zwanzig Prozent der Besuche klappen nicht.“
Hat alles funktioniert, sind die Geschenke erfragt und besorgt und ist der Ehrentag dann endlich da, macht sich Müller noch einmal mit ihrem Rollator auf den Weg. „Zwischen zehn und elf ist die Zeit, wo auch die anderen offiziellen Besuche anstehen“, sagt sie. „Dann auch kommen Kollegen, Vereine, die Partei.“
Und die Sozialkommission. „Ich mag den Kontakt mit den alten Leuten“, meint Müller. Freundschaften seien so zwar noch nicht entstanden, aber eine Bereicherung sei es trotzdem, für alle Beteiligten. Die Besuche zu Festtagen seien eine feste Größe im Kalender der Alten. „Viele warten dann schon auf mich.“