Ein Gutachten erklärt die Wohnanlage Belforter Straße für stadthistorisch bedeutend und schützenswert. Zudem gebe es dort seltene Vogelalten und alten Baumbestand. Die geplante Blockrandbebauung würde damit unmöglich.
Die Wohnanlage in der Belforter Straße sei stadthistorisch bedeutend und damit schutzbedürftig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, welches die Friedrichshainer Planungsgruppe WERKSTADT im Auftrag des Bezirksamtes erstellt hat und das nun veröffentlicht wurde. Damit ist der Weg frei für den Bezirk, eine Erhaltungssatzung für das Ensemble aus der Nachkriegszeit zu erlassen und sämtliche baulichen Veränderungen somit genehmigungspflichtig zu machen. Die Umsetzung der Pläne des Investors Rainer Bahr, der die drei Zeilenhäuser zur Straßburger Straße hin mit einer Blockrandbebauung verbinden möchte, würden dadurch auf Eis gelegt. Ihm bliebe nur die Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Gutachten erklärt Wohnanlage für beispielhaft für DDR-Städtebau der 1950er Jahre
„Die Wohnanlage Belforter Straße ist eine der wenigen vollständig erhaltenen Wohnbauprojekte der Entwicklungsphase zwischen 1950 und 1960 und die einzige Wohnanlage in Zeilenbauweise im Ortsteil Prenzlauer Berg“, heißt es in der Begründung des Gutachtens. An ihr könne man noch das damalige städtebauliche Leitbild – Schaffung von Wohnraum bei gleichzeitiger Absage an die Mietskasernen mit ihrer hohen Bebauungsdichte und Blockstruktur – ablesen. Zudem sei sie ein Beispiel für die Typisierung von Gebäudeteilen und Grundrissen und damit für die beginnende Industrialisierung im Wohnungsbau. Daher empfiehlt das Gutachten, eine entsprechende Erhaltungssatzung aufzustellen.
Für den Laien wirken die drei Wohnblöcke im Vergleich mit den pompösen Gründerzeitbauten des Kollwitzkiezes eher unscheinbar. Doch eben diese Alltagsarchitektur sei schützenswert, meinen die Gutachter. Und sprechen sich dafür aus, die Freiräume und deren Gliederung in Grün- und Aufenthaltsflächen ebenso zu erhalten wie das flache Satteldach und die Fassade mit allen Details. Selbst eine Wärmedämmung sei nur zulässig, wenn sie das äußere Erscheinungsbild nicht beeinflusse, meinen sie. Fenster und Türen sollten aus Holz sein, Rolladenkästen innenliegend. Sogar die Anordnung von Klingelanlagen, Namens- und Werbeschildern müsse sich der historischen Gestaltung des Eingangsbereiches unterordnen.
Ein Neubau, wie Bahr ihn plant, würde somit unmöglich.
Bedrohte Vögel, historischer Baumbestand, gut für das Stadtklima
Doch die städtebauliche Bedeutung ist nicht das einzige Argument gegen die geplante Blockrandbebauung, welches das Gutachten auflistet. Darüber hinaus habe sich der Freiraum mittlerweile als Ergänzung zum Platz um den Wasserturm etabliert und sei für die Lebensqualität der Anwohner von großer Bedeutung, heißt es. Auch für das Stadtklima sei die unversiegelte Grünfläche wichtig, ebenso wie die 50 Jahre alten Baumbestände eine relevante Vegetation darstellten. Und selbst die ansässigen Vogelarten sollen nach Europarecht besonders schützenswert sein.
Fast bekommt man Mitleid mit dem Investor, wenn man sieht, welche Geschütze dem Bezirksamt mit dem Gutachten zugespielt werden, um das Bauvorhaben und die damit einhergehende weitere bauliche Verdichtung im Kiez noch zu stoppen. Denn das ist das Hauptziel der Verwaltung, wie Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken (Die Linke) Anfang Januar im Interview mit den PBN eingestand.
Bahr selbst hält das Gutachten für einseitig und hat eine Prüfung in Auftrag gegeben (Interview mit den PBN vom 11.02.) Falls diese nichts ändert und der Bezirk die Erhaltungssatzung verabschiedet, bleibt ihm, wie gesagt, nur noch der Weg vors Gericht. Auch davor schreckt er jedoch nicht zurück.
Darüber hinaus gewährt ihm das Gesetz noch einen weiteren Ausweg: „Kann der Eigentümer das Grundstück auf Grund einer Genehmigungsversagung (…) nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll nutzen, kann er die Übernahme des Grundstücks (…) verlangen.“ Der Bezirk genösse in diesem Fall ein Vorkaufsrecht. Falls Bahr sich von allen Vorgaben unbeeindruckt zeigen sollte und auf dem Bau bestände, drohte ihm im Gegenzug sogar die Enteignung.
Wer sich für die städtebaulichen Leitbilder und deren Veränderung in den vergangenen Jahrzehnten interessiert, sollte einen Blick in das komplette Gutachten werfen, welches man hier nachlesen kann.