Reinhard Kleist schreibt und zeichnet Comics. Der in Prenzlauer Berg lebende Künstler stellte in der Buchbox-Kulturbühne seinen neuen Comic „Castro“ vor.
Der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro zählt auf der Bühne der Weltpolitik zu den bekanntesten Figuren. Auch wenn der „Maximo Lider“ die Führung an seinen Bruder Raul abgab, und die olivgrüne Uniform gegen eine Adidas-Jacke tauschte, gilt er als Legende. „Che Guevara ist das natürlich auch, aber ich habe schnell festgestellt, dass Castro die interessante Figur ist,“ sagt Reinhard Kleist, der am Donnerstag in der Buchbox-Kulturbühne an der Greifswalder Straße seinen neuen Comic „Castro“ vorstellte.
Darin erzählt er die fiktive Geschichte eines jungen deutschen Reporters, der kurz vor Revolution 1959 nach Kuba kommt, und in der Sierra Maestra Fidel Castro kennenlernt. Mit dynamischem Strich zeichnet Kleist die Entwicklung der Person Castros nach, die untrennbar mit der Revolution in Kuba verbunden ist. Auch wenn Bewunderung mitschwingt, blendet Kleist die politische Verfolgung Andersdenkender, die Kuba bis heute kennzeichnet, nicht aus. „Castro“ ist angenehm ausgewogen, überlässt das Urteil dem Leser.
Von Cash zu Castro
Reinhard Kleist, der 1970 in der Nähe von Köln geboren wurde, lebt seit 1996 in Berlin. Nach seinem erfolgreichen Comic über den Sänger Johnny Cash kam er eher zufällig auf Fidel Castro: „Ich hatte von meinem Verlag das Angebot, ein Reisetagebuch zu machen“, sagt Kleist. „Etwas, was der französischen Tradition des gezeichneten Berichts nahekommt. Muss man sich als eine Art Künstlerlandverschickung vorstellen.“ Als er die Nachricht von Castro Rücktritt las, kamen Kleist gleich Bilder in den Kopf. Revolution, Glücksspiel, Havanna, alte Autos. Also entschied er sich, 2008 auf die Insel zu reisen, und zwar ohne politische Vorprägung. „In meiner Szene war Kuba eher uncool, was für Altlinke.“ Der kurz zuvor absolvierte Volkshochschulkurs Spanisch erwies sich als weniger hilfreich als gedacht. „Die Kubaner verschlucken Silben ohne Ende, am Anfang war die Verständigung schwierig“, sagt Kleist.
Nach einer Weile lernte der Comiczeichner dann Menschen kennen, die ihm das Land näher brachten. „Die Leute da lachen mehr, im Gegensatz zu hier. Man muss nur aufpassen, dass man nicht als Portemonnaie angesehen wird.“ Kleist, der auch in Berlin schon einige Häuserfassaden verzierte, war von den großformatigen Plakaten in Havanna, auf denen die Revolution gepriesen wird, fasziniert. Aber zu einem endgültigen Urteil ist er nicht gekommen. „Du bildest dir eine Meinung, und musst sie im nächsten Augenblick wieder umwerfen.“
„Ich werde mit der Schrotflinte auf dich warten“
Als Beispiel nennt er das vielgerühmte Gesundheitssystem, was auch den Armen zugute kommt. Das von Michael Moore in „Sicko“ so gelobte Krankenhaus allerdings, so stellte Kleist fest, steht in Wahrheit nur Touristen gegen harte Dollars offen. Eine einzige Wahrheit gibt es auch im Reich von Fidel Castro nicht. Der „Figur hinter dem Bart“, wie Kleist ihn gern nennt, nähert er sich in seinem gut recherchierten Comic detailliert an. Kleist zeigt den 12jährigen Fidel, der unter den Arbeitern auf den Latifundien seines Vaters einen Streik anzettelt. Es heißt, dass dem elterlichen Gut nach dem Sieg der Revolution als erstem die Verstaatlichung drohte. Verbürgt ist der Brief, den Castro daraufhin erhielt: „Ich werde auf der Schwelle mit der Schrotflinte auf dich warten. Zieh dich warm an, es wird kalt, Mutter.“
Solche Anekdoten, aber auch Kampf- und Actionsszenen, sind für einen Comiczeichner das Salz in der Suppe. Kleist zeichnet derlei Szenen klassisch mit Tusche, Pinsel und Papier. „Es ist mir wichtig, dass der Ton für den Leser erlebbar wird“, sagt Kleist. Comics schreibt er wie ein Drehbuch. Szenen und Dialoge fließen in Skizzen ein, die Geschichte entsteht über ihre Bilder. Die Vorzeichnungen fasst Kleist dann in einem Ordner zusammen, den man dann schon wie einen richtigen Comic lesen kann.
Ob „Castro“ auch irgendwann in Kuba zu lesen sein wird? Der Künstler klingt bei der Frage wenig hoffnungsvoll. „In Kuba existiert eine etwas eigenwillige Art der Zensur. Wenn etwas missliebiges erscheinen soll, ist plötzlich kein Papier da.“ Eine kleine Chance, dass Fidel Castro den Comic liest, hat er dennoch. „Der ist so eitel, der will bestimmt wissen, wer ihn da in einem Comic verewigt hat.“ Bis zur ersehnten Begegnung widmet sich Reinhard Kleist einem neuen Projekt. Sein Comic über einen jüdischen Boxstar, der seine große Liebe wiederfinden will, erscheint demnächst als Comicstrip in der „FAZ“.