Bisher haben sich die Grünen am Umbau der Kastanienallee die Zähne ausgebissen. Jetzt will der SPD-Kandidat Severin Höhmann einen Kompromiss ausloten. Die eigene Partei bleibt zurückhaltend.
Dass die Kastanienallee kein Gewinnerthema ist, haben zuletzt die Grünen erfahren müssen. Sechs Wochen lang diskutierten sie im Dezember und Januar mit den Kritikern des Straßenumbaus – um am Ende festzustellen, dass die eigenen Reihen zwar geschlossener, der Graben zu den engagierten Bürgern aber tiefer geworden ist. Vielleicht hatten die Grünen darauf spekuliert, sie könnten wie früher einmal Vermittler zwischen Verwaltung und Protestierenden sein. Doch diese Hoffnung zerbrach zwischen den Jahren am Streit um Fahrradangebotsstreifen, Haltestellencaps und Parktaschen.
Inzwischen ist von den Grünen zu diesem Thema nur noch wenig zu hören. Der Gesprächsfaden sei erstmal abgerissen, heißt es aus dem Umfeld von Anwohnern und Gewerbetreibenden. Man habe sich nach dem Platzen der Schlichtung am Telefon gegenseitig beschimpft, wird kolportiert. Ominös bleibt, was sich nach dem öffentlichen Scheitern der Gespräche am 13. Januar abgespielt hat. Den Vorschlag der Gewerbetreibenden, zwei alternative Planungen in einer Anwohnerbefragung zur Wahl zu stellen, hatten die Grünen an dem Abend abgelehnt.
Ominöses Ende der Schlichtungsgespräche
„Stunden später hatten sich die Positionen vertauscht“, sagt inzwischen Heiner Funken, der von beiden Seiten als Schlichter bestimmt worden war, dazu. „Von der Seite der Anwohner hieß es: Wir möchten nur noch unsere eigene Variante abgefragt haben. Das war für mich irritierend“, resümiert Funken. Auf Seiten der Gewerbetreibenden sieht man das anders: An dem fraglichen Abend hätten sich beide Seiten in dem Bewusstsein getrennt, eigene Wege zu gehen. Man werbe deshalb nun für eine Befragung, in der über den Vorschlag der Anwohner, keinen Radstreifen zu bauen, abgestimmt werden soll.
Wie dem auch sei – es ist ein gordischer Knoten, an dessen Entflechtung sich nun ein anderer versuchen will: Severin Höhmann, SPD-Kandidat für die Abgeordnetenhauswahl im südlichen Prenzlauer Berg. Für kommenden Dienstag (8. Februar) lädt er zu einer Podiumsdiskussion in die GLS-Sprachenschule in der Kastanienallee. Ein weiteres Mal werden dann jene Protagonisten des Streits aufeinander treffen, die bisher keinen Konsens erzielen konnten. Neben Höhmann sind dies unter anderem Anwohnervertreter Sebastian Mücke, Matthias Aberle von der Bürgerinitiative Wasserturm und Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne).
Bürgersteig soll 25 Zentimeter breiter werden
Höhmann selbst hat den Bürgervertretern bereits einen eigenen Kompromissvorschlag präsentiert. „Die einzigen, die im Moment von dem Umbau profitieren würden, wären die Radfahrer“, sagt Höhmann. Das sei zu wenig. Auch die Fußgänger müssten zu den Gewinnern zählen. Er persönlich halte den umstrittenen Fahrradstreifen (im offiziellen Jargon meist als „Angebotsstreifen“ bezeichnet) für verzichtbar, sehe aber keine politische Mehrheit, mit der dieser noch verhindert werden könne.
Im Kern läuft Höhmanns Vorschlag auf zaghafte Korrekturen des Bordsteinverlaufs hinaus. Der Gehweg soll gegenüber der Bezirksamtsplanung um 25 Zentimeter breiter werden. Unter anderem soll dazu der Radstreifen zumindest im Bereich der Parkbuchten von 1,50 Meter auf 1,25 verkleinert werden. Der Sicherheitsabstand von 50 Zentimetern zwischen parkenden Autos und fahrenden Radlern können damit eingehalten werden, meint Höhmann.
SPD-Fraktion dämpft Erwartungen
Der SPD-Kandidat schränkt gleichzeitig aber ein, man solle jetzt im Vorfeld keine allzu großen Hoffnungen auf umfassende Planungsänderungen wecken. Tatsächlich sind auch die Signale aus Höhmanns eigener Partei eher verhalten. In einer aktuellen Presseerklärung geht die SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Röhrbein zwar in mehreren Absätzen auf die Rolle ihrer Fraktion in der Vergangenheit ein. Die Frage, ob die Bezirksamtspläne zur Disposition stehen, wird aber elegant umschifft: „Nur wenn es grundsätzlich andere Erfordernisse geben sollte, kann das Paket überhaupt noch einmal aufgeschnürt werden.“
Am Ende bleiben damit wieder die selben Fragen offen, an denen sich schon die Kontrahenten in der Schlichtung die Zähne ausgebissen hatten: Braucht man eine Anwohnerbefragung? Und wenn ja, was soll gefragt werden? Braucht es dazu einen Bürgerantrag? Und reicht nicht sowieso ein Änderungsbeschluss der BVV, ganz ohne Befragung? „Ohne eine Anwohnerbefragung wird der BVV wohl kaum bereit sein, die Pläne nochmal zu verändern“, vermutet Grünen-Fraktionschefin Stefanie Remlinger. Sie schlägt ein Treffen aller Fraktionen zu dem Thema vor. Das letzte Wort in Sachen Kastanienallee scheint immer noch nicht gesprochen.