Drei Mal haben mysteriöse Außendienstmitarbeiter ein Navigationsgerät aus seinem Auto nach Osteuropa geliefert. Nun weiß sich Nicol Ljubic nur noch mit Drohnen zu helfen.
Ich weiß gar nicht, ob mein Navi auch polnisch kann oder russisch, aber besser wäre es, weil es sich in seinem neuen Auto sonst ziemlich fremd fühlen wird. Der nette Polizist, der kurz vor sieben bei mir geklingelt hat, um mich zu fragen, ob ich der Halter des VW-Tourans mit dem amtlichen Kennzeichen B-BW-5187 sei, sagte mir, mein Navi sei längst auf dem Weg nach Osteuropa. Dort könne man Bestellungen aufgeben. Hätte gern ein Volkswagen RN-S2. Die Bestellung wird dann an die Außendienstmitarbeiter in Berlin weitergegeben. Und die wissen mittlerweile, wo sie kostengünstige RN-S2 finden: in Prenzlauer Berg. Unter anderem im Touran mit dem amtlichen Kennzeichen B-BW-5187.
Dreimal haben sie sich von ihm schon beliefern lassen. Dreimal hat dessen Halter den Diebstahl bei der Polizei gemeldet, hat dafür jedes Mal eine Vorgangsnummer bekommen und vom Volkswagenhändler eine nette Rechnung über 3539,02 Euro für ein neues Navi, ein neues Beifahrerfenster und was sonst noch so anfällt, wenn die Außendienstmitarbeiter zuschlagen. Dreimal bekam der Halter ein paar Wochen später von der Staatsanwaltschaft ein Schreiben, in dem ihm verkündet wurde, dass kein Täter ermittelt werden konnte und der Fall damit eingestellt sei. Dreimal dachte er: Damit ist jetzt Schluss! Und damit ist jetzt wirklich Schluss!
Ich bin ja nicht der einzige, der als Zulieferer für osteuropäische Autozubehör-Bestellkataloge auserkoren wurde, mein Freund W. gehört mittlerweile auch dazu, zweimal schon hat er geliefert, und, wer der Polizeistatistik glauben mag, 290 weitere Fahrzeughalter allein in Prenzlauer Berg, allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres.
In letzter Zeit träume ich immer öfter davon, wie ich nachts nach Hause komme und die Außendienstmitarbeiter in flagranti erwische. Als nächstes sehe ich drei Kerle mit blutigen Nasen auf dem Boden liegen. Mein Freund W. aber sagt, die Wahrscheinlichkeit, dass nicht die drei Kerle mit blutigen Nasen auf dem Boden liegen, sondern ich, sei unverhältnismäßig größer. Deswegen gibt es nur eine Möglichkeit: Die unfreiwilligen Navi-Zulieferer müssen sich zusammenschließen!
Wo sind die Bewohner, die sich verantwortlich fühlen für ihren Kiez? Zusammen könnten wir die Navi-Filiale Prenzlauer Berg schließen. Wir könnten in Schichten auf Patrouille gehen, mit Sprechfunkgeräte und Hunden und Buttons mit dem Slogan: »Hier kümmert sich der Bürger noch selbst!« Wir könnten auch Kameras aufstellen, die jede Straße des Viertels im Blick haben. Wir könnten alle Zufahrtswege zum Viertel kontrollieren. Schlagbäume aufstellen. Ich habe das mal in Brasilien gesehen, sehr effektiv, Mauer um die Häuser, Wache an die Eingänge und wer rein will, muss sich anmelden. Das würde auch die so maßlos steigenden Mieten und Quadratmeterpreise rechtfertigen.
Mein Freund W. hat Kontakte zur Bundeswehr und die Idee, Drohnen einzusetzen. Eine wunderbare Idee. Drohnen für den Kiez! Nur leider ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren qua Grundgesetz verboten und leider hat die große Mehrheit der Bundestagsabgeordneten den Ernst der Lage noch nicht begriffen und weigert sich beharrlich, das Grundgesetz zu ändern.
Rettung könnte die Seite www.rent-a-drone.de sein. Für 420 Euro die Stunde kann man sich eine Drohne mieten. Für die Versicherungen sollte es sich lohnen, die Kosten zu übernehmen. Die grobe Rechnung lautet: 290 mal 3500 Euro macht 1.015.000 Euro, sprich: eine Million. Dafür könnte die Drohne 2.416 Stunden im Einsatz sein. Und wir könnten endlich wieder ruhig schlafen. Wer das alles schwachsinnig findet, hat entweder einen Kassettenrekorder im Auto oder wohnt in Kreuzberg.
Originalfoto: Ralf Roletschek, GFDL – GNU-Lizenz für freie Dokumentation